Der Dampfer "Nordstern"
Herr Lothar Bischoff, der Besitzer des Dampfschiffes "Nordstern" überließ mir dankenswerter Weise alle hier gezeigten Fotos und schickte mir den folgenden Text, der kurz die Geschichte des Dampfers erzählt:
Biographie eines Schiffes
Seit vielen Jahren befährt der Dampfer "Nordstern" die märkischen Gewässer,
die Elbe und die Oder. Jahraus und Jahrein hat er nicht mehr zu zählende Kähne
gezogen oder geschoben und vielen Fahrgästen die Schönheit unserer Heimat gezeigt.
Der "Nordstern" wurde 1902 von der sehr bekannten Schiffswerft Gebr. Wiedmann in Brandenburg,
die aus einer Maschinenfabrik und Eisengießerei hervorgegangen war, als dritter Dampfer
gebaut und erhielt als erster Dampfer eine dreizylindrige Dreifachexpansionsmaschine. Die Kosten
betrugen einschließlich des gesamten Zubehörs vom Anker bis zur Kaffeemühle 43.000,-
Goldmark.
Baujahr: |
1902 |
Bauort: |
Brandenburg / Havel |
Werft: |
Gebr. Wiedmann |
Länge: |
26,37 m |
Breite: |
5,25 m |
Tiefgang: |
1,60 m |
Bauart: |
Dreizylinder-Expansionsdampfmaschine mit Schiebersteuerung und Einspritzkondensation |
Baujahr: |
1902 |
Bauort: |
Brandenburg / Havel |
Werft: |
Gebr. Wiedmann |
Leistung: |
303 PS |
Umdrehungen: |
196 U / min. maximal |
Bauart: |
Zweiflammrohrkessel |
Baujahr: |
1939 |
Heizfläche: |
77,7 m² |
Betriebsdruck: |
17,0 bar |
Der "Nordster" als Schlepper und Ausflugsschiff
Der Nordstern war für die Personenschiffahrt bestimmt, daher der weiße Anstrich und
das glatte Deck, doch er konnte dank seiner starken Maschine auch als Schleppdampfer eingesetzt
werden und zog auf der Havel in der Regel sechs Kähne.
1910 übernahm der Schiffer Adolf Sutor den "Nordstern". Der Schiffer verfügte über
Erfahrungen als Dampfschiffer, konnte aber die Kaufsumme von 36.000,- Goldmark nur zum Teil aufbringen.
So hieß es fleißig fahren.
Montag bis Sonnabend schleppte er Kähne der Steinetransprotgesellschaft vom Beetzsee nach
Charlottenburg. Am Sonntag um 5:00 Uhr früh war er schon in Spandau, um im Auftrag der
Stern-Schiffahrt nach Tegel zu dampfen. Die Bänke, die in der Woche auf dem Vordeck gestapelt
waren, hatten die Mannschaft schon auf der Fahrt nach Berlin aufgestellt und das Sonnensegel gespannt.
Am Sonntagabend war man spät in Spandau, stand aber schon am Montage um 3:00 Uhr in der Frühe
an der Schleuse Charlottenburg, um mit Anhang nach Brandenburg zu fahren.
Der Dampfer war für 264 Personen zugelassen. Neben den Plätzen an Deck, die bei
schönem Wetter begehrt waren, gab es vorn dir große Kajüte mit Ausschank und
hinter dem Maschinenraum die kleine Kajüte. Die Wände hatten Holztäfelung, die
Decke lag auf verzierten Konsolen. Für die Mannschaft gab es Schlafplätze unter den
Treppen. Der Kochherd stand zwischen Steuerhaus und Schornstein im Freien und konnte mit einer
Klappe bedeckt werden. Das Steuerhaus bestand nur aus einer Brustwehr, denn es sollte immer eine
gute Sicht gewährleistet sein.
Allmählich weiteten sich die Fahrten aus. Der Personenverkehr für
Schulen, Vereine und Gesellschaften ("Herrenpartien") wickelte sich auf den Gewässern der
Umgebung ab. Es wurden Brause, Bier, auch Spirituosen, große Mengen von Bockwürsten
und Brötchen umgesetzt, die man waschkörbeweise einkaufte. Und natürlich wurden
viele Tassen Kaffee ausgeschenkt, wofür das Wasser im Dampfkocher über dem Kessel
brodelte. Die ganze Familie Sutor war an Bord und kochte und verkaufte. Der Heizer holte die
Gläser zusammen. Oft halfen auch die Gäste.
Die meiste Arbeit bereitete wohl hinterher das Säubern des Schiffes, aber darauf hielt
jeder Schiffer.
Um 1910 hatten sie eine Herrenpartie. Es wurde viel Kaffee getrunken, das
Trinkwasser war alle. "Wir haben aber im Maschinenraum noch einen Tank"
Er entnahm das Wasser dort einem Hahn, der von außenbords gespeist wurde.
Der Kaffee schmeckte allen. Es zeigt, wie gut das Havelwasser, jedenfalls im gekochten Zustand
damals war.
Otto Sutor übernimmt das Schiff
1937 übernahm Otto Sutor, 1991 im Alter von 97 Jahren verstorben, den "Nordstern" von seinem
Vater. Er hatte viel Erfahrung als Führer großer Raddampfer der Firma Behnke und Mewes
auf der Elbe sammeln können. Der "Nordstern" wurde nun für weitere Fahrten umgerüstet.
Seine Schleppkraft wurde erhöht und ein Deckshaus mit einer Sommerküche wurde aufgesetzt.
Unten gab es neben der Winterküche gute Wohnräume. Es ging nun auf die Elbe, wenn die
Schleppdampfergenossenschaft Unterhavel nicht genügend Arbeit vermitteln konnte.
Einmal wagte sich Otto sogar über Hamburg hinaus bis zur Lühe.
Als Schleppdampfer mittlerer Größe mußte dann mit einem anderen Dampfer zusammengespannt
werden, z.B. mit dem noch heute existierenden Dampfer "Andreas" aus Plaus. Bei der Eröffnung des
Mittellandkanals 1938 fuhr der "Nordstern" als Paradeschiff der Schleppdampfergenossenschaft Unterelbe als erster Schraubendampfer mit zwei Anhängern von der Schlesischen Dampfer Compagnie Berlin Lloyd AG durch das Hebewerk Rothensee bei Magdeburg. Auch bei Filmaufnahmen auf dem Schwieowsee - der Film spielte am Suezkanal - wurde er gebraucht. Das große Vordeck eignete sich ausgezeichnet zum Aufstellen der Filmgeräte.
Im Krieg mußte der "Nordstern" oft mit seiner starken Dampfpumpe Kähne auspumpen, da die Pumpe
leistungsfähiger und nicht so störanfällig wie die Benzinpumpen der Feuerwehr war.
1942 holte die Kriegsfurie auch die "Nordstern" ein. Eine Luftmine rasierte in Spandau das ganze
Oberdeck mit Steuerhaus und Schornstein glatt, doch der Schaden konnte nach einigem Warten auf der
Bauwerft behoben werden.
Ein neuer Anfang
Nach dem Krieg gab es reichlich Arbeit. Der energiesparende Schiffstransport wurde sehr gepflegt.
Es gab nun Fahrten bis Stettin und über das Haff, darunter eine schlimme Sturmfahrt.
Auch beim Einschleppen der Gördebrücke in Brandenburg und der Eisenbahnbrücke
über den Templiner See bei Potsdam war der "Nordster" beteiligt. Diese Arbeit erforderte
hohe Präzision von Schiff und Mannschaft.
Fast verschrottet
Nach längerer Verpachtung an den Schiffer Heinz Siebert aus Plaue, wobei der "Nordstern" als
Schubschlepper ununterbrochen tätig war, zeitweilig auch als Eisbrecher, war das weitere Schicksal
ungewiß. Der jetzige Besitzer Lothar Bischoff rettete ihn vor dem Los vieler guter Dampfschiffe,
vor der Fahrt zur Abwrackwerft nach Aken. Die Maschine wurde gründlich überholt.
Es gab zwei schöne Fahrten nach Bad Schandau an der Elbe und zur 750-Jahr-Feier nach Oderberg
m Oder-Havel-Kanal. Während der Ausstellung des Museums Brandenburg Stromauf und Stromab
im Jahre 1982/83 war der "Nordstern" vielbewundertes Ausstellungsobjekt. Über das Schiff führte
meist Otto Sutor die Besucher, der jedesmal mit der Feststellung begann: "Ich bin jetzt 88 Jahre und der
Dampfer ist 80 Jahre alt".
Nach jahrelangem, harten Kampf mit den Behörden der DDR gab es endlich die Gewerbegenehmigung als
Dampfschiffahrtsbetrieb für den Eigner, der mit seiner Frau inzwischen die notwendigen
Dampfschiffahrtspatente erworben hatte. Von 1983 bis 1990 hat der "Nordstern" fleißig gearbeitet
und die Schubeinheiten der Binnenreederei befördert.
Zu neuen Ufern
Im Mai 1990 dampfte der "Nordstern" nach Hamburg zum Hafengeburtstag. Danach wurde er im Sommer von der
Berliner Stern- und Kreisschiffahrt gechartert und fuhr als Ausflugsdampfer über den Wannsee.
Seit 1991 fährt der "Nordstern" für alle, die das einmalige Erlebnis haben wollen, unter Dampf
die Gewässer unserer Heimat zu erkunden.
Hier finden Sie uns
Am Salzhof in Brandenburg an der Havel - direkt neben der neuen Jahrtausendbrücke gelegen -
macht die Nordstern fest und legt dort natürlich auch ab. Wir freuen uns, auch Sie einmal an
Bord des "Nordstern" begrüßen zu dürfen. In der Saison (MAi bis Oktober) fahren wir mit dem
"Nordstern" täglich zwei Stadtrundfahrten um 11:00 und 15:00 Uhr, von je 1,5 Stunden Dauer,
es sei denn der Dampfer ist für Charterfahrten gebucht. Der "Nordstern" kann täglich besichtigt
werden. Für Informationen und Charterangebote schreiben Sie doch bitte oder rufen uns einfach an.
Dampfschiffahrtsbetrieb Lothar Bischoff |
Florastraße 25 * 14641 Nauen |
Telefon & Fax (03321) 454019 |
Schiff (0172) 3117868 |
Einige Anmerkungen zur Maschine
Für alle, die noch nie eine Schiffsdampfmaschine gesehen haben, möchte ich die folgenden
drei Bilder noch etwas näher beschreiben. Der "Nordstern" fährt immer noch mit seiner
Originalmaschine von 1902. Auf
dem ersten Bild erkennt man auf der Vorderseite die drei silberfarbenen runden
Säulen und rechts hinten einen der drei grün gestrichenen Ständer, die
zusammen den Zylinderblock (schwarzer Kasten oben) tragen. Am rechten Ständer erkennt
man die Kreuzkopfführung (silberfarbene Gleitbahn und ölig-braune übergreifende
Gleitschinen) mit der Kolbenstange, dem Kreuzkopf und dem Y-förmigen Pleuel.
Auch an den im Bild verdeckten zwei weiteren Ständern findet man diese Anordnung
für die Kraftübertragung von den drei Dampfkolben auf die untenliegende Kurbelwelle.
Von ihr werden dann die 303 PS Leistung der Dreizylindermaschine bei maximal 196 Umdrehungen
pro Minute direkt in die angeflanschte Propellerwelle weiterleitet.
An der Maschinenvorderseite zwischen den Säulen befinden sich rechts zwei und links noch
eine dritte Schieberstange, die die Muschelschieber zur Dampfsteuerung der drei Zylinders bewegen. Sie werden
über jeweils eine der sichelförmigen Exzenterstangen (unten) angetrieben. Diese sind
charakteristisch für die "Klug'sche Umsteuerung" mit der die Maschine des "Nordsterns"
ausgerüstet ist. Dampfloks dagegen besitzen in der Regel eine "Stephenson Umsteuerung",
die sich durch zwei gerade Exzenterstangen auszeichnet (je eine für Vorwärts- und
Rückwärtsfahrt). Über das große Handrad im Bildvordergrund wird die Steuerung
auf die richtige Füllung (Dampfmenge je Kolbenhub = Geschwindigkeit) und die Drehrichtung
eingestellt. Die zugehörigen Hebel und Exzenter, die dann letztlich die Steuerbewegungen
der Exzenterstangen beeinflußen sollte man sich mal auf dem "Nordstern" genauer anschauen.
Solch eine Maschine lebt ja erst in der Bewegung!
Das zweite Bild zeigt die Maschinenrückseite. Den silberfarbigen Hebel links vorne
am grünen Ständer sah man schon auf dem ersten Bild. Er überträgt die durch
das Handrad ausgelöste Hebelbewegung auf die große Steuerwelle, die durch alle drei
Ständer hindurchgeführt ist (Wellenlagerung am Ständer mit angegossen).
Auffällig ist weiterhin der große grüne "Topf" über den Flurplatten,
der am mittleren Ständer befestigt ist. Hierbei handelt es sich um die Vakuumpumpe,
die den kondensierten Abdampf aus dem Vakuum saugt und durch das dicke Kupferrohr nach rechts
in den Vorratsbehälter der Kesselspeisung pumpt. Angetrieben wird diese Pumpe direkt von
der Bewegung des mittleren Kolbens. Zur Kraftübertragung ist der waagerechte silberfarbene
Pumpenhebel über ein Gestänge mit dem mittleren Kreuzkopf und dem Pumpenkolben verbunden.
Da alle beweglichen Teile der Maschine in Gleitlagern laufen und diese eine kontinuierliche Ölzufuhr zur Schmierung benötigen besitzt der "Nordstern" mehrere Zentralölpumpen. Auch diese werden wieder direkt von der Hauptmaschine angetrieben. Zwei Pumpen (schwarze Kästen) sieht man links oben. Die kleinen gelochten Antriebshebel sind über eine gebogene Stange mit dem Pumpenhebel verbunden. Bei jedem Maschinenhub wird so eine genau vorgegebene Ölmenge an die Lager gepumpt. Für die Verteilung des Öls ist zu jeder Lagerstelle ein kleines Kupferröhrchen gelegt (Rohrbündel links oben). |
Das dritte Bild zeigt den Heizer an seinem Arbeitsplatz. Der Dampf für die Maschine
des "Nordsterns" wird hier in einem "Schottischen Kessel" mit zwei Flammrohren erzeugt. Der
Heizer sorgt dafür, daß immer genug Druck auf dem Kessel ist (bis zu 17 bar). Gerade
legt er eine Schaufel Kohlen nach, wozu er eine der beiden Feuertüren geöffnet hat.
Schön sieht man die rotglühende Kohle auf dem Rost im Innern des Kessels. Beeindruckend
auch die dicken Nieten, mit denen das Flammrohr in der vorderen Kesselwand befestigt ist. Hinter
der rechteckigen Klappe über dem Flammrohr ziehen die Rauchgase nach oben in den großen
Schornstein. Von Zeit zu Zeit muß diese Klappe geöffnet werden, um die dahinter
liegenden Rauchrohre von Ruß und Asche zu befreien.
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