Ein Dampfboot ist ein technisches Gebilde, von dem man später eine gewisse Leistung erwartet. Damit der Eigenbau nicht in einer Enttäuschung endet, möchte man das ganze natürlich so auslegen und ausführen, dass es später funktioniert. Das ist ein verständliches Anliegen. Das muss man doch ausrechnen können! Wir sollten doch über 100 Jahre nach der Entwicklung der Dampfmaschine in der Lage sein, das mit dem Computer zu beherrschen! Wir leben im 21ten Jahrhundert NACH Christus Geburt! - so einfach ist das aber nicht!
Unser ganze Leben stützt sich auf Entscheidungen und Berechnungen, die nach einem simplen Verfahren ablaufen, aber im Detail durchaus nicht simpel sind - wie eben auch die Dampfmaschine. Sehe ich einen Hund, also die Welt, mache ich mir ein Bild davon.
Die Welt, also der Hund, ist wie er ist - durch meine Erfahrung mit Hunden habe ich mir ein Modell im Kopf zurecht gelegt. Ein Modell ist immer eine Abstraktion der Welt - und auch immer eine Vereinfachung, damit wir sie verarbeiten können. So ein Modell enthält Regeln, über die wir Menschen uns z.B. Abläufe im Hundehirn oder der Dampfmaschine zu erklären suchen.
Ein weit verbreitetes Modell ist, das man für Geschenke Liebe und Zuneigung bekommt. Nun freut sich aber die Ehefrau nicht unbedingt über einen Knochen - der Hund meist schon. Wir benötigen also Sensoren, die dem Modell Messwerte als Eingangsgröße liefern. Zur mathematischen Berechnung der Dampfmaschinenleistung fordern viele Formeln den mittleren Dampfdruck während des Kolbenhubs - dieser ist nur sehr schwer zu messen, auch bei einer noch nicht realisierten Dampfmaschine schätzt man ihn ab oder nimmt Erfahrungswerte aus der Praxis. Das ist sehr ähnlich wie mit Weihnachtsgeschenken für den Partner. Ohne verlässliche Eingangsgrößen wird das Modell sehr zufällige Ergebnisse liefern.
Wenn man ein komplexes Problem lösen möchte, teilt man es am besten in Module mit klaren Systemgrenzen auf. Diese Module können in gleicher Weise unabhängig voneinander so lange aufgeteilt werden, bis man das kleinste System endlich beschreiben kann. Bei diesem Aufteilen muss man sich immer fragen, welchen Nutzen man davon hat. Teilweise lohnt sich die Präzisierung in einem Teilsystem nicht mehr, wenn in anderen Modulen die Ungenauigkeiten auf Grund fehlender oder schwer zu ermittelnder Eingangsgrößen nicht mehr weiter zu präzisieren sind. Kennt man andererseits ein Teilsystem sehr genau, dass einen großen Einfluss hat, so kann man durch Detailwissen um die Wirkprinzipien auch eine Leistungssteigerung für das Gesamtsystem erreichen. Es gilt immer abzuwägen, wo man investiert, um die größte Wirkung zu erzielen. Da wir mit unseren Dampfbooten kein Geld verdienen müssen, kann manchmal auch der Reiz an einer aufwendigen technischen Lösung größer sein, als der Bedarf nach einer Steigerung der Wirtschaftlichkeit.
Wie und wo man die Modulgrenzen setzt ist beliebig. In den meisten technischen Systemen gibt es logische Schnittstellen. Zur Beschreibung des Systems Dampfboot folge ich hier der Energieumwandlung vom Brennstoff zur Fortbewegung und bilde die Module durch schneiden des Energieflusses - am besten dort, wo man diesen Fluss auch messen kann.
Bevor man ein Modell aufstellt, muss man den Zweck des Modells definieren, also die gewünschten Ergebnisgrößen fest legen. Mein primäres Ziel ist es, mit dem Boot später eine annehmbare Geschwindigkeit bei gemäßigter Geräuschkulisse zu fahren. Dazu muss ich Kesselleistung, Maschinendrehzahl und Schraubengeometrie auf die Bootswiderstände abstimmen. Mit diesem einfachen Satz hat man auch schon die ganze Palette an Schwierigkeiten auf geblättert!
Zur Erinnerung an die Schulzeit: Wirkungsgrade haben die unangenehme Eigenschaft, sich in einem solchen System zu multiplizieren. Dazu ein Beispiel:
Kesselwirkungsgrad 50% => von 8 kW des Heizmaterial kommen nur die Hälfte = 4 kW an der Maschine an.
Maschinenwirkungsgrad 50% => von den 4 kW Dampfenergie kommt nur die Hälfte = 2 kW an der Welle an.
Propellerwirkungsgrad 50% => von den 2 kW Wellenleistung wird nur 1 kW in Vortrieb umgesetzt
Gesamtwirkungsgrad:
0,5 * 0,5 * 0,5 = 0,125 und 8 * 0,125 = 1 oder
50% * 50% * 50% = 12,5% und 8 * 12,5% = 1 oder
1/2 * 1/2 * 1/2 = 1/8 und 8 * 1/8 = 1
Die oben von mir genannten Wirkungsgrade sind grobe Schätzwerte, angenähert an Erfahrungswerte aus alten Büchern. Auch wer keinen Spaß an der Zahlenjongliererei hat, kann daraus praxisrelevante Schlüsse ziehen: Kessel, Maschine und Schiffsschraube haben den größten Einfluss auf den Gesamtwirkungsgrad des Bootsantriebs. Alle drei liegen in unseren Booten sehr grob geschätzt um die 50%, haben also gleichen Anteil an den Verlusten bzw. der Leistung. Für eine Leistungssteigerung lohnt sich also die Optimierung aller drei Elemente.