Dampfboote - Historisches - zusammengetragen von Rainer Radow

27.03.2010
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Willans und Bellis Dampfbeibootsmaschinen, Busley 1883

Das Werk „Die Schiffsmaschine“ von Carl Busley ist tatsächlich „DIE“ deutsche Quelle zum Thema. Aber auch in diesem Standardwerk werden nur wenige Absätze über die Dampfbeibootsmaschine verloren.
Die Klassifizierung der Marine Dampfbeiboote listet hier genau wie im Brix von 1878 (siehe vorherige Seite) noch den kleinen Dampfkutter Typ IV, aber noch nicht den größeren Dampfbeiboots-Typ A.
[busl1883, S261ff]:

Hilfsmaschinen für seemännische Zwecke
70)
Dampfbeibootsmaschinen werden fast allgemein als Hammermaschinen und zwar in verschiedenen, bei Kriegs -und Handelsschiffen einander gleichen Constructionen hergestellt. Sie sind gewöhnlich sehr leicht gehalten und so eingerichtet, dass sie sich ohne besondere Schwierigkeiten aus dem Boot herausnehmen lassen, wenn dasselbe während der Reise an Bord genommen ist (siehe § 32,7).
71)
In unserer Marine sind 2 Arten von Dampfbeibootsmaschinen im Gebrauch, welche auch vielfach bei Handelsdampfern Eingang gefunden haben, es sind die zum Betrieb von Einzelschrauben eingerichteten
     Maschinen von Willans oder
     Maschinen von Belliss.
Früher versah man die Dampfbeiboote häufig mit Doppelschrauben und rüstete sie dementsprechend gewöhnlich mit 2 Niederdruckmaschinen (System Rennie) aus. In Deutschland werden neuerdings sehr gefällige Bootsmaschinen von Holtz in Ovelgönne angefertigt.
72)
a. Die
Willans-Maschine (Tafel 41, Fig. 1-6) ist eine dreicylindrige, einfach wirkende Trunkmaschine, welche mit 7-8 kg. Dampfspannung arbeitet. Ueber den drei Dampfcylindern stehen die drei Steuerungscylinder, in welchen sich drei Steuerungskolben bewegen, deren Stangen in die Dampfcylinder hineingeführt sind und lose auf den Dampfkolben aufstehen. Der Druck des eintretenden Dampfs presst die Steuerkolben stets fest auf die Dampfkolben, so dass sie sich wie diese bewegen müssen.Aus den Steuerungscylindern gelangt der Dampf durch einen mit 3 Kanälen versehenen Wechselhahn in die Dampfcylinder. Die Steuerung der Maschine ist im § 65, 72 erläutert. Da die Kolben nur beim Niedergang wirken, so drücken die Pleyelstangen, welche ganz aus Bronce bestehen, nur mit einer halben Lagerfläche auf den Kurbelzapfen und werden an demselben durch einen Bügel festgehalten.
73)
Ein Vortheil dieser Maschinen besteht darin, dass alle bewegten Theile derselben in einem gusseisernen Gehäuse eingeschlossen und somit allen schädlichen Einflüssen der Witterung entzogen sind und dass sie sich selbst schmieren. Der untere Kasten wird bis zur eingezeichneten Linie mit Oel gefüllt, in welchem die Kurbeln beständig arbeiten, das herumspritzende Oel setzt sich in die unteren beiden Riefen der Dampfkolben und schmiert dadurch die Cylinder. Die Trunkzapfen schmieren sich durch die ausgesparten Pleyelköpfe ebenfalls von dem herumgeschleuderten Oel. Nur die Steuerungskolben erhalten durch ein besonderes auf dem Deckel der Steuerungscylinder befestigtes Gefäss das nötige Schmiermaterial. Die Willans-Maschinen sind ziemlich schwer und etwas unökonomisch, sie leisten nämlich bei gleichem Dampfverbrauch weniger als eine zweicylindrige Bellis-Maschine.

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74)
b. Die
Belliss-Maschine (Tafel 41, Fig. 7-11) ist in unserer Marine in 4 verschiedenen Grössen entsprechend den 4 Rangklassen der Schiffe reglementarisch eingeführt. Die drei ersten Classen dieser Maschinen sind zweicylindrige, die vierte Classe, welche in kleinen Dampfkuttern steht, ist eincylindrig, es ist die Hälfte von der abgebildeten Maschine zweiter Classe. Die Belliss-Maschine arbeitet mit 6 kg. Dampfspannung, zu den Maschinen I. Classe dieser Art gehört der auf Tafel 5, Fig. 3 und 4 gezeichnete Kessel. Die Maschinen sind seht leicht und zierlich gebaut und besitzen den Uebelstand, dass sich die einzelnen Gelenkverbindungen bei anhaltendem Gebrauche sehr bald auslaufen und lose werden. Fig. 11 zeigt die Verbindung der Maschine mit dem Boot, woraus sich ersehen lässt, dass das Ein- und Aussetzen der selben mühelos vorgenommen werden kann. Die auf Tafel 41 gezeichnete Belliss-Maschine verleiht einem Boote von 9,3 m. Länge, 2,33 m. Breite und 0,84 m. mittlerem Tiefgang eine Geschwindigkeit von 7-8 Seemeilen in der Stunde.


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Das hier aufgeführte Kapitel des Buchs „Die Schiffsmaschine“ ist in den Ausgaben von 1883, 1885 und 1886 identisch. Somit scheinen die englischen Willans und Belliss Maschinen über diesen Zeitraum bei der deutschen Marine gebräuchlich gewesen zu sein.

Ein Original genau dieser Willans Baureihe von 1880 ist aktuelle (27.03.2010) bei Preston Services in England zu erwerben. Die Firma „Willans and Robinson“ wurde 1880 gegründet. Sie bezeichneten sich 1888 als Mechanische und elektrische Konstrukteure, Kesselmacher, Eisen- und Stahlgießerei, Boots und Schiffsbauer (mechanical and electrical engineers, boilermakers, iron and steel founders, launch and ship builders). Der Engländer P. W. Willans erfand zahlreiche innovative einfachwirkende Dampfmaschinen, die in gekapselten Gehäusen ölgeschmiert liefen. Sie zeichneten sich durch hohe Umdrehungszahlen aus, die besonders auch zur Stromerzeugung benötigt werden, da Elektrogeneratoren möglichst schnell laufen müssen [grac2009].
Der Einsatz dieser Maschinen in schnellen Booten mit hohen Schraubendrehzahlen war daher nahe liegend. Die Vorteile der Willans Maschine wurden jedoch durch das hohe Baugewicht der einfach wirkenden Konstruktion wieder aufgehoben, weshalb sie sich auch z.B. in schnellen Torpedobooten nicht durchsetzen konnten.
In England wurden diverse Kraftwerke mit Willans Maschinen ausgestattet. Der Entfall einer Transmission zur Drehzahlerhöhung soll bis zu 10% Effektivitätssteigerung erbracht haben, und das erhöhte Maschinengewicht spielte ja an Land keine Rolle. Im Kraftwerksbau wurden die Willans Maschinen letztendlich von den schnell laufenden Turbinen überholt.

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Zeitungsannonce aus 1894 [grac2009]

Bei den „Belliss-Maschinen“ wird es sich um Fabrikate der Firma G. E. Bellis & Co., Birmingham gehandelt haben. Sie wurde 1852 von Edward Bellis gegründet, der zwischen 1838 bis 1909 lebte. Seit 1880 bezeichnete sich die Firma als Weltmarktführer für Schiffsmaschinen und wurde von 1860 bis 1890 als „Bellis and Co.“ geführt. Aus dieser Produktion gibt es auch heute noch einige Dampfmaschinen in Booten des SBA.
1884 stieg der Schiffsmaschineningenieur Alfred Morcom in das Geschäft mit ein. 1888 erhielt man Bestellungen für Kanonen- und Torpedobootsmaschinenanlagen unter der Firmierung G. E. Bellis. 1899 wurde diese Firma schließlich in Belliss & Morcom Ltd. umbenannt. Die Firma reichte zahlreiche Patente z.B. zur Druckschmierung und zur Kondensation mit Luft ein. Später wurden auch schnell laufende Dampfmaschinen zur Stromerzeugung produziert [grac2009].

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Zeitungsannonce aus 1870 [grac2009]

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Zeitungsannonce aus 1889. Hier wird schon gezielt für "Machinery for ... Launches" geworben [grac2009]

Zu den genannten Vorgängermaschinen „System Rennie“ konnte ich bisher noch nicht all zu viel herausfinden. Rennie's tauchen im Dampfzeitalter mehrfach auf. John Rennie lebte von 1761-1821 und stelle unter anderem Werkzeugmaschinen her. Diese verkaufte er als Besonderheit Beispielsweise auch an James Watt (1736 - 1819) – sonst baute man damals Werkzeugmaschinen wohl eher nur für den Eigenbedarf!
Weiterhin gab es „den Jüngeren“ John Rennie (1794 – 1874), der dann mit seinem Bruder George Rennie (1791 – 1866) die Firma „J. and G. Rennie“ in den 1791 vom älteren John Rennie (seinem Vater) aufgebauten Werkstätten betrieb.
1838 bauten sie das erste erfolgreiche Schraubendampfboot „Archimedes“. 1842 lieferten sie Maschinen mit einer Gesamtleistung von 450 HP an die britischen Marine aus. Eine „Disc Engine“ wird ihnen 1855 unter „G. Rennie and Son“ als Bootsmaschine patentiert [grac2009]. Doppelschraubendampfboote mit Disc Eninges werden nach Ägypten, Russland und Indien verkauft, setzen sich jedoch nicht weiter durch [disc2010].

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1891 wirb die Firma mit unter dem Namen J. Rennie and Co [grac2009]

Da in dem Bericht von Busley von „System Rennie“ gesprochen wird, kann es sich natürlich um einen deutschen oder ausländischen Nachbau eines populären Boots-Maschinentyps handeln – hier muß wohl noch etwas geforscht werden.


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