Das Werk „Die
Schiffsmaschine“ von Carl Busley ist tatsächlich „DIE“
deutsche Quelle zum Thema. Aber auch in diesem Standardwerk werden nur wenige
Absätze über die Dampfbeibootsmaschine verloren.
Die Klassifizierung der Marine Dampfbeiboote listet hier genau wie im Brix von
1878 (siehe vorherige Seite) noch den kleinen Dampfkutter Typ IV,
aber noch nicht den größeren Dampfbeiboots-Typ A.
[busl1883, S261ff]:
Hilfsmaschinen für seemännische Zwecke
70) Dampfbeibootsmaschinen
werden fast allgemein als
Hammermaschinen und zwar in verschiedenen, bei Kriegs -und
Handelsschiffen einander gleichen Constructionen hergestellt. Sie
sind gewöhnlich sehr leicht gehalten und so eingerichtet, dass
sie sich ohne besondere Schwierigkeiten aus dem Boot herausnehmen
lassen, wenn dasselbe während der Reise an Bord genommen ist
(siehe § 32,7). 71) In unserer Marine sind 2 Arten
von Dampfbeibootsmaschinen im Gebrauch, welche auch vielfach bei
Handelsdampfern Eingang gefunden haben, es sind die zum Betrieb von
Einzelschrauben eingerichteten Maschinen
von Willans oder Maschinen von
Belliss. Früher versah man die Dampfbeiboote häufig mit
Doppelschrauben und rüstete sie dementsprechend gewöhnlich
mit 2 Niederdruckmaschinen (System Rennie) aus. In Deutschland werden
neuerdings sehr gefällige Bootsmaschinen von Holtz in Ovelgönne
angefertigt. 72) a. Die Willans-Maschine
(Tafel 41, Fig. 1-6) ist eine dreicylindrige, einfach wirkende
Trunkmaschine, welche mit 7-8 kg. Dampfspannung arbeitet. Ueber
den drei Dampfcylindern stehen die drei Steuerungscylinder, in
welchen sich drei Steuerungskolben bewegen, deren Stangen in die
Dampfcylinder hineingeführt sind und lose auf den Dampfkolben
aufstehen. Der Druck des eintretenden Dampfs presst die Steuerkolben
stets fest auf die Dampfkolben, so dass sie sich wie diese bewegen
müssen.Aus den Steuerungscylindern gelangt der Dampf durch einen
mit 3 Kanälen versehenen Wechselhahn in die Dampfcylinder. Die
Steuerung der Maschine ist im § 65, 72 erläutert. Da
die Kolben nur beim Niedergang wirken, so drücken die
Pleyelstangen, welche ganz aus Bronce bestehen, nur mit einer halben
Lagerfläche auf den Kurbelzapfen und werden an demselben durch
einen Bügel festgehalten. 73) Ein Vortheil dieser
Maschinen besteht darin, dass alle bewegten Theile derselben in einem
gusseisernen Gehäuse eingeschlossen und somit allen schädlichen
Einflüssen der Witterung entzogen sind und dass sie sich selbst
schmieren. Der untere Kasten wird bis zur eingezeichneten Linie mit
Oel gefüllt, in welchem die Kurbeln beständig arbeiten, das
herumspritzende Oel setzt sich in die unteren beiden Riefen der
Dampfkolben und schmiert dadurch die Cylinder. Die Trunkzapfen
schmieren sich durch die ausgesparten Pleyelköpfe ebenfalls von
dem herumgeschleuderten Oel. Nur die Steuerungskolben erhalten durch
ein besonderes auf dem Deckel der Steuerungscylinder befestigtes
Gefäss das nötige Schmiermaterial. Die Willans-Maschinen
sind ziemlich schwer und etwas unökonomisch, sie leisten nämlich
bei gleichem Dampfverbrauch weniger als eine zweicylindrige
Bellis-Maschine.
74)
b. Die Belliss-Maschine
(Tafel 41, Fig. 7-11) ist in unserer Marine in 4
verschiedenen Grössen entsprechend den 4 Rangklassen der Schiffe
reglementarisch eingeführt. Die drei ersten Classen dieser
Maschinen sind zweicylindrige, die vierte Classe, welche in kleinen
Dampfkuttern steht, ist eincylindrig, es ist die Hälfte von der
abgebildeten Maschine zweiter Classe. Die Belliss-Maschine arbeitet
mit 6 kg. Dampfspannung, zu den Maschinen I. Classe dieser
Art gehört der auf Tafel 5, Fig. 3 und 4 gezeichnete
Kessel. Die Maschinen sind seht leicht und zierlich gebaut und
besitzen den Uebelstand, dass sich die einzelnen Gelenkverbindungen
bei anhaltendem Gebrauche sehr bald auslaufen und lose werden.
Fig. 11 zeigt die Verbindung der Maschine mit dem Boot, woraus
sich ersehen lässt, dass das Ein- und Aussetzen der selben
mühelos vorgenommen werden kann. Die auf Tafel 41
gezeichnete Belliss-Maschine verleiht einem Boote von 9,3 m.
Länge, 2,33 m. Breite und 0,84 m. mittlerem Tiefgang
eine Geschwindigkeit von 7-8 Seemeilen in der Stunde.
Das hier aufgeführte
Kapitel des Buchs „Die Schiffsmaschine“ ist in den
Ausgaben von 1883, 1885 und 1886 identisch. Somit scheinen die
englischen Willans und Belliss Maschinen über diesen Zeitraum
bei der deutschen Marine gebräuchlich gewesen zu sein.
Ein Original genau dieser Willans Baureihe von 1880 ist aktuelle
(27.03.2010) bei Preston Services in England
zu erwerben. Die Firma „Willans and Robinson“ wurde 1880 gegründet.
Sie bezeichneten sich 1888 als Mechanische und elektrische
Konstrukteure, Kesselmacher, Eisen- und Stahlgießerei, Boots
und Schiffsbauer (mechanical and electrical engineers,
boilermakers, iron and steel founders, launch and ship builders). Der
Engländer P. W. Willans erfand zahlreiche innovative
einfachwirkende Dampfmaschinen, die in gekapselten Gehäusen
ölgeschmiert liefen. Sie zeichneten sich durch hohe
Umdrehungszahlen aus, die besonders auch zur Stromerzeugung benötigt
werden, da Elektrogeneratoren möglichst schnell laufen müssen
[grac2009].
Der Einsatz dieser Maschinen in schnellen Booten mit
hohen Schraubendrehzahlen war daher nahe liegend. Die Vorteile der
Willans Maschine wurden jedoch durch das hohe Baugewicht der einfach
wirkenden Konstruktion wieder aufgehoben, weshalb sie sich auch z.B.
in schnellen Torpedobooten nicht durchsetzen konnten.
In England wurden diverse Kraftwerke mit Willans Maschinen ausgestattet. Der
Entfall einer Transmission zur Drehzahlerhöhung soll bis zu 10%
Effektivitätssteigerung erbracht haben, und das erhöhte
Maschinengewicht spielte ja an Land keine Rolle. Im Kraftwerksbau
wurden die Willans Maschinen letztendlich von den schnell laufenden
Turbinen überholt.
Zeitungsannonce aus 1894 [grac2009]
Bei den „Belliss-Maschinen“
wird es sich um Fabrikate der Firma G. E. Bellis & Co., Birmingham gehandelt haben. Sie wurde 1852 von Edward
Bellis gegründet, der zwischen 1838 bis 1909 lebte. Seit 1880
bezeichnete sich die Firma als Weltmarktführer für
Schiffsmaschinen und wurde von 1860 bis 1890 als „Bellis and
Co.“ geführt. Aus dieser Produktion gibt es auch heute
noch einige Dampfmaschinen in Booten des SBA. 1884 stieg der
Schiffsmaschineningenieur Alfred Morcom in das Geschäft mit ein.
1888 erhielt man Bestellungen für Kanonen- und
Torpedobootsmaschinenanlagen unter der Firmierung G. E. Bellis. 1899
wurde diese Firma schließlich in Belliss & Morcom Ltd.
umbenannt. Die Firma reichte zahlreiche Patente z.B. zur
Druckschmierung und zur Kondensation mit Luft ein. Später wurden
auch schnell laufende Dampfmaschinen zur Stromerzeugung produziert
[grac2009].
Zeitungsannonce aus 1870 [grac2009]
Zeitungsannonce aus 1889. Hier wird schon gezielt für "Machinery for ... Launches" geworben [grac2009]
Zu den genannten Vorgängermaschinen „System Rennie“
konnte ich bisher noch nicht all zu viel herausfinden. Rennie's
tauchen im Dampfzeitalter mehrfach auf. John Rennie lebte von
1761-1821 und stelle unter anderem Werkzeugmaschinen her. Diese
verkaufte er als Besonderheit Beispielsweise auch an James Watt (1736
- 1819) – sonst baute man damals Werkzeugmaschinen wohl eher
nur für den Eigenbedarf! Weiterhin gab es „den
Jüngeren“ John Rennie (1794 – 1874), der dann mit
seinem Bruder George Rennie (1791 – 1866) die Firma „J.
and G. Rennie“ in den 1791 vom älteren John Rennie (seinem
Vater) aufgebauten Werkstätten betrieb. 1838 bauten sie das
erste erfolgreiche Schraubendampfboot „Archimedes“. 1842
lieferten sie Maschinen mit einer Gesamtleistung von 450 HP an die
britischen Marine aus. Eine „Disc Engine“ wird ihnen 1855
unter „G. Rennie and Son“ als Bootsmaschine patentiert
[grac2009]. Doppelschraubendampfboote mit Disc Eninges werden nach
Ägypten, Russland und Indien verkauft, setzen sich jedoch nicht
weiter durch [disc2010].
1891 wirb die Firma mit unter dem Namen J. Rennie and Co [grac2009]
Da in dem Bericht von Busley von „System Rennie“ gesprochen
wird, kann es sich natürlich um einen deutschen oder
ausländischen Nachbau eines populären Boots-Maschinentyps
handeln – hier muß wohl noch etwas geforscht werden.
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