Dampfbootüberführung Berlin -> Hannover, 28/29.08.2009
01.01.2013
1 Dampfboot, 3 Mann, 3 Tage, 300 km, 500 kg Braunkohlebriketts
Drei Jahren lang betrieb ich mein Dampfboot in Berlin von Leipzig aus. Mit meinem beruflichen Wechsel nach Hannover konnte diese Fernbeziehung nun beendet werden. Da Emma ja ein Wasserfahrzeug ist, wollte ich sie auch auf dem Wasserweg überführen. Von Berlin aus gelangt man über die Havel, den Havel-Elbe-Kanal und schließlich über den Mittellandkanal mitten ins Zentrum von Hannover. Per GoogleEarth „flog“ ich die Strecke mehrmals ab. Im Internet fand ich zusätzlich eine Menge nützlicher Hinweise auf z.B. Schleusenzeiten und Liegemöglichkeiten. Bei der Addition der Stromkilometer kam ich auf knappe 300 km. Da aber nur wenig Zeit war, und mich Emma über die letzten 2.000 km noch nie im Stich gelassen hatte, plante ich von vornherein nur 4 Fahrtage ein.
Am Freitag, den 28 August 2009 ging es mittags mit Hansi (1. Steuermann auf Harrys DB Petit Four) im Auto nach Berlin. Emma schwamm wie immer brav, aber nichts ahnend, im Südhafen Spandau. Zwei mal holte ich einen Kofferraum voll Braunkohlebriketts vom Baumarkt. Der Verkäufer wunderte sich schon, was man bei dem schönen Wetter den mit so viel Kohle wolle – bei dem Versuch der Erklärung schaute er jedoch nur noch ungläubiger. Zusammen mit den Vorräten an Bord hatten wir nun 500 kg Briketts und ein paar Schippen komischen Koks vom letzten DDV Dampfboottreffen an Bord. Zur Sicherheit lagerten noch 150 kg Kohle auf H.-G.'s Max Eid im Hafen von Braunschweig. Gegen Abend traf Rainer aus München ein (bootsbauwilliges DDV-Mitglied), womit die Mannschaft komplett war. Nach ausreichender Verproviantierung im nächsten Supermarkt ließen wir es uns den ersten Abend auf Emma gleich richtig gut gehen. Ins Bett hatten wir es ja nicht weit. Rainer schlief neben dem Kessel auf dem Kohlebunker und Hansi zog ob der herrlich lauen Nacht das Vordach des Bootshauses einem Platz neben mir in der Kajüte vor.
Der nächste Morgen war ein Vorgeschmack auf die Rally nach Hannover. 06:15 Feuer anstecken und alle Mann klar bei Waschschüssel. Pünktlich um 7:00 brachte dann Michael (Emmas Berliner Betreuer und DDV Mitglied) frische Brötchen an Bord. Leider hat sein Dienstplan bei der Berliner Feuerwehr es ihm nicht erlaubt, Emma wenigstens ein Stück mit zu begleiten – und so konnte man beim Ablegen (07:35, Km 0) meinen, ein weinendes, aber auch ein fröhliches Auge zu sehen, aus dem der Ansporn funkelte, sein eigenes Bootsprojekt voran zu bringen. Michael, ich komme mit Emma zur Taufe!
Die erste Strecke der Reise war mir ja bestens bekannt (interaktive Karte siehe WSA Brandenburg - Eine Google Karte mit gefahrener Route findest du am Ende dieses Textes). Es ging die Havel hinunter und anschließend in den Wannsee, vorbei an der Austragungsstätte des letzten schönen Dampfboottreffens 2009. Hier kenne ich jede Biegung. Schließlich ein letzter Pfeifengruß auf die Schönherrsche Anhöhe (08:30, Km 9 - die einzelnen Wegpunkte findet man unten auf der Google Karte, wenn man die Punkte an klickt) und dann links vorbei an der Pfaueninsel Richtung Potsdam. Das Ziel hieß gleichmäßiger Dampfdruck von 5 bar und keine luxuriösen Schlenker, um die Fahrstrecke nicht unnötig zu verlängern: also in der Kurve immer leicht innen hinter der Fahrwassertonne vorbei. Das geht ja im Allgemeinen mit unseren kleinen Booten auch immer – aber auch der Jurist verwendet das Wort im Allgemeinen, um Ausnahmen zuzulassen – und so habe ich bei Emma dann auch das erste mal die Handbremse gefunden:
Obwohl viel weiter landeinwärts von uns noch ein Joghurtbecher fuhr, lief Emma mit ihren 70 Zentimetern Tiefgang sanft und kaum merklich auf eine Sandbank auf (09:20, Km 15,32). Da kennt man sich dann erst einmal gar nicht aus, wenn die Maschine fleißig dreht, man aber immer langsamer wird. Eine Peilung mit dem Enterhaken gab schnell Gewissheit und dank des Rückwärtsgangs und des gnädigen Untergrunds war das schnell wieder erledigt. Eigentlich hatte ich da auch früher schon so abgekürzt. 3 voll ausgerüstete Erwachsene, reichlich Proviant und über eine halbe Tonne Kohle an Bord hatten dann aber wohl die sonst übliche Handbreit Wasser unter dem Kiel weggezogen. Als ich später die GPS-Aufzeichnung in GoogleEarth einspielte, lagen meine „Kielwasserkringel“ genau über einer hellen Stelle im Wasser...
Nördlich an Potsdam vorbei, erhielten wir auf dem Sacrow-Paretzer Kanal (09:40, Km 18) dann eine Einstimmung auf die nächsten Tage. Bei einer schnurgeraden Kanallage in Ost-West-Richtung hat man auf der Nordhalbkugel eben zu 80% Gegenwind – und der blies ordentlich! Da war man froh über jede Biegung, die einem hinter den Bäumen einen kleinen Windschatten gewährte. Trotzdem konnten wir auf den 37 Kanalkilometern bis Brandenburg (13:47, km 55) hier inklusive Ölpause eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 9 km/h erreichen.
Kleinfahrzeuge sollen in Brandenburg die Stadtschleuse benutzen. So fährt man dann sehr schön durch die Hinterhöfe der Stadt, vorbei an alten Speichern und Kleinbetrieben.
Vor der Schleuse wartete auch ein kleiner historischer Schlepper mit angeheiterter Herrenladung. Sie alle hatten eine Liebe für Emma entwickelt, die scheinbar von ihrem Frauennamen und den alkoholischen Getränken stark beflügelt war. Als es dann in die Schleuse ging, war uns klar, das Emma nicht mehr zu dem Schlepper und den zwei glänzenden Ferienhäuschen mit in die Schleuse passen würde! - Aber da schaltete der Männerchor „Emma muß mit“ auch den Verstand des Schleusenwärters aus, der uns nun über Sprechanlage aufforderte, sofort in die Schleuse einzufahren.
Alle Vernunft half nichts (den Anweisungen des Schleusenpersonals ist Folge zu leisten!). Der Schleusenwärter packte Emma an der Leine und zog sie mit aller Kraft (und die hatte er) in die volle Schleusenkammer. 3 Tonnen benötigen eine Zeit zur Beschleunigung (positive, wie negative) und so sauste Emma zwischen die Boote wie ein Keil in den Baum. Ich habe ja eine 15 mm starke eiserne Scheuerleiste, deren Abnutzung ich wohl nicht mehr erleben werde. Einige Fender taten Ihren Dienst, hier und da fehlte einer... Emma stand trotz maximaler Verkeilung noch 1,5 m aus der Schleusenkammer heraus – wir durften wieder ausfahren...
Nach 40 Minuten war dann aber die erste Schleusung an diesem Tag geschafft – auch das gab wieder einen schönen Zickzack im GPS-Logbuch. Gegen 14:30 fuhren wir weiter durch das schöne Brandenburg und vorbei am Dampfer Nordstern, der hier bei den Hafelschiffen vertäut auf seine Einsätze unter Dampf wartet.
Nach den menschlichen Stürmen in der Schleuse erwartete uns nun der Breitling- und Plauer See bei starkem Westwind. Natürlich hatte es jetzt auch noch zu regnen angefangen. Die Ausfahrt aus der Stadtstrecke Brandenburg ist zum Schutz vor Wellenschlag extra mit einer ca. 400 Meter langen Buhne nach Westen hin zum Breitlingsee abgeschlossen. So fuhren wir eine Weile bei starkem Seitenwind, aber in ruhigem Wasser. Auf der anderen Buhnenseite konnten wir die Surfer bewundern, die mit für uns atemberaubender Geschwindigkeit über die Schaumkronen flitzten. Da mussten wir gleich auch durch! Und kaum hatten wir die schützende Buhne durch die Ausfahrt Richtung Norden verlassen, polterte auch schon das Geschirr durch den Schrank. Schnell auch noch die letzten Planen dicht gemacht und durch!
Ca. 2,5 km gab es keine andere Route, als quer zu den Wellen zu fahren und sich ordentlich durchschaukeln zu lassen. Zusätzlich hätte man theoretisch auch noch ständig den Segelbooten ausweichen müssen, deren Skipper den Wind fröhlich auf der Reling sitzend ausritten. Die zeigten aber Sportsgeist und beharrten nicht (immer) auf ihre Vorfahrt. Passagiere denken in solchen Situationen an nasse Fotoapparate, Eigner an Maschinenversagen oder Bergungskosten... Aber Emma hat es, wie auch die letzten 100? Jahre, schließlich geschafft.
Als wir vor der Einmündung des Silokanals in den Plauer See (15:18, km 63) endlich auf Westkurs gegen den Wind gehen konnten, hörte auch der Schauer auf. Mit den Wellen von vorne und ein bischen mehr Licht sah alles viel freundlicher aus.
Nach Durchfahren der Seegartenbrücke in Kirchmöser (15:50, 68 km) und erreichen des Großen Wendsees hatten wir den wohl aufregendsten Teil unserer Reise gemeistert. Interaktive Karte siehe WSA Brandenburg
Die Schleuse Wusterwitz (16:11, km 71) hebt einen in den 4,75 m höher liegenden Plauer Kanal. Auf diese Dienstleistung warteten wir bei vollem Kesseldruck ca. 60 Minuten. „Der Plauer Kanal ist eine der ältesten künstlichen Wasserstraßen des ehemaligen preußischen Staates. Er entstand 1743 – 1745 auf Initiative des Königs Friedrich II. und verband die Havel (Plauer See) bei Plaue mit der Elbe bei Parey. Seine wirtschaftliche Bedeutung lag hauptsächlich im Transport von Salz aus Schönebeck nach Berlin und von Torf aus dem Fiener Bruch als Heizmaterial. Im Verlauf des Plauer Kanals befanden sich die Schleusen Parey, Kade und Plaue sowie acht hölzerne Zugbrücken. Quelle: [www.wsv.de/wsa-brb/wasserstrassen/Elbe-Havel-Kanal/index.html]
Nach ereignisloser Schleusung ging es gegen 17:30 auf historischem Pfad weiter Richtung Gentin, welches wir mit 8,5 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit seit der Schleusung passierten (18:52, km 86). Als sich der Wind weiter gelegt hatte, gabe es noch eine ordentliche Abenddusche.
Der Schiffsverkehr ruhte bereits und so entschlossen wir uns, bei regengereinigter Natur in herrlicher Abendstimmung und eingeschlafenem Wind weiter zu bummeln.
Um 20:00 (km 97) erreichten wir bei Fahrt gegen den Sonnenuntergang und leichtem Nebel über dem Wasser den Abzweig des Pareyer Verbindungskanals.
Dies wäre der Weg in die Elbe nach Hamburg. Für uns endete dieser erste Tag in der familiären Atmosphäre einer kleinen Marina unter der Mühle Parey (20:26). Eine kurze Dampfvorlesung für den Boots-Nachbarn, ein gutes Abendbrot und eine warme Dusche schlossen den Tag ab.
In 13 Stunden passierten wir zwei Schleusen - 2 ½ Stunden - und legten 99,17 km mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 9,4 km/h zurück. Wir haben auf dieser Strecke 301 Briketts in den Kessel geworfen! Somit verbrauchten wir incl. Anheizen 171 kg nicht besonders brennfreudiger Braunkohlebriketts, also 1,7 kg/km bzw. 11,8 kg/h.