Als ich neulich mit Hubert ins Gespräch kam, erinnerte ich mich daran, hier schon immer mal über meine Norddeutschlandrundfahrt mit Emma berichten zu wollen. Womit sich der Spruch „Lebe deine Gegenwart so, dass Du in Zukunft eine schöne Vergangenheit hast“ erneut bewahrheitet.
Nachdem ich Emma vom Dampfbootparadis Berlin auf dem Wasserweg in meine alte neue Heimat Hannover verlegt hatte, drängte es mich zu einer längeren Reise auf dem Wasser. Winter 09/10 hatte Emma im Wasser liegend bei bis zu 4 cm dickem Eis im Mittellandkanal verbracht. Den kommenden Winter sollte sie sich davon in der Bootswerft von Marc Wadephul in Bremen-Lesum erholen.
Am 02.09.2010, 17:20 starteten ein Bekannter und ich an der Marinekameradschaft Hannover mit 595 kg Braunkohlebriketts, 5 Sack Brasilianischer Langflammkohle a 15 kg und reichlich Proviant auf dem Mittellandkanal in Richtung Westen. Der einsetzende Bemessungsregen bestätigte die Notwendigkeit eines regendichten Dampfboots in Norddeutschland.
Mit gemütlichem Feuer und 5 bar Kesseldruck erreichten wir nach ca. 3 Stunden Fahrt den 31 km entfernten Yachthafen Idensen ohne besondere Vorkommnisse. Das Anheizen am nächste Morgen erledigte ich vor dem Frühstück. Um 6:30 standen 10 bar Kesseldruck zur Verfügung und um 6:45 verließen wir Idensen in dichtem Frühnebel.
Gewöhnlich steigt man in Minden vom Mittellandkanal über die 15 m tiefe Schachtschleuse zur Weser ab. Wegen eines Defekts mussten wir die Umleitung über die obere und untere Hafenschleuse nehmen, was entsprechend viel Zeit beanspruchte. Vor der oberen Hafenschleuse mussten wir zunächst auf die Ankunft eines Ausflugschiffs warten.
In der Oberen Schleuse wurden wir noch anstandskos mitgenommen. Geradezu boshaft wurde aber die Ampel der unteren Hafenschleuse direkt nach Einfahrt der Europa auf rot geschaltet und das obere Schleusentor direkt vor unserer Nase geschlossen. Ob da jemand keine Danpfboote mochte oder schlicht gepennt hatte???
Glücklicherweise hatte man aber ein Einsehen mit uns und wir mussten nicht auf ein zweites großes Schiff warten. So kamen wir in den Genuss einer Extraschleusung für uns alleine.
Die Weser war für Emma das erste Gewässer mit nennenswerter Strömung. Die Umleitung lenkte uns stromab durch die Unterführung unter dem Mittellandkanal, was uns zwischen den eng stehenden Pfeilern den ersten Eindruck des „reißenden“ Gewässers mit ca. 3 km/h gab. Bis zum MYC Lade überholten uns zahlreiche Berufsschiffe und wir lernten mit gedrosselter Maschinenkraft in der nicht immer sehr breiten Weser zwischen den Heckwellen der Berufsschiffe und den Steinbuhnen sicher zu manövrieren. Mein erstes Wenden und Anlegen direkt vor einem Wehr gelang perfekt. Die Mitglieder der MYC Lade betreuten uns am Abend noch sehr freundlich.
Am 4.9. galt es 'Meilen machen', um pünktlich in Bremen unseren 'Lotsen Peter Wadephul zu treffen. Ablegen um 6:50, um gleich 35 min später wieder vor der Schleuse Petershagen in der Warteposition fest zu machen. Das Schleusentor war zwar schon geöffnet, es sollte aber erst das Berufsschiff einfahren, was für die kleine Emma ja auch viel sicherer ist!
Während der Schleusenaufenthalt in Minden fast 2 Stunden gedauert hatte, waren wir hier in 45 Minuten durch. Die folgende Schleuse Schlüsselburg konnten wir in einem Rutsch mit MS Ingbert durchfahren und danach gaben uns die Jungs vom WSA grüne Welle: die 4 Schleusen Landesbergen, Drakenburg, Dörverden und Langwedel öffneten sich wie von Zauberhand immer direkt vor Emmas Bug.
Der Schleusenabstieg ist fast beendet. Da der Heizer es nicht geschafft hat, das Feuer klein zu halten, 'zischeln' die Sciherheitsventile schon ein wenig - aber dafür habe ich sie ja schließlich eingebaut!
In der norddeutschen Tiefebene wird die Weser immer breiter und die Uferböschungen immer flacher. So fährt man durch Dörfer und das grüne Weideland, vorbei an grasenden Kühen, Schafen und Pferden. Hier scheint einem die Welt noch in Ordnung zu sein.
Lediglich in den Schleusenkanälen fährt man aus Gründen der Wegbegradigung gelegentlich auf einem Damm oder in Landschaftseinschnitten und zwischen aufgeschütteten Dämmen wie hier.
Den Yachthafen Achim erreichten wir gegen 19 Uhr. Etmal für den 4.9.2010: 6 Schleusen und 124 Strom km in ca. 12 Stunden.
Zwischen uns und der Nordsee befand sich nun nur noch die automatische Sportbootschleuse Hemelingen. Gegen 10:20 trafen wir dort auf einen Pulk verzweifelter Motorböötler. Die Schleuse befand sich in einer Softwarefehlerschleife und Sonntags gab es nur fernmündlichen Zuspruch aus der Leitzentrale, aber keine Techniker vor Ort. Ich habe dann so lange an allen Notausknöpfen und Sicherheitsendschaltern der Tore gedrückt, bis Bill Gates so verwirrt war, das er die Torsoftware neu startete.
Wir schafften es pünktlich zum Hochwasser der Weser um 12 Uhr, unseren Lotsen Peter Wadephul in Bremen an Bord nehmen zu können. Die 5 Stunden bis zu Peters Hausanleger an der Lesum vergingen wie im Flug, weil er uns unendlich viele Geschichten zu allen noch so kleinen Besonderheiten am Rand der ab Bremen als Seeschiffahrtsstraße titulierten Unterweser erzählen konnte.
Daheim bei Peter festgemacht, wurden wir - wie immer - mit herzlichster Gastfreundschaft empfangen. Etmal 5.9.: 55 km. Indem ich mit meinem selbst gebauten Dampfboot an dem Ort anlegen durfte, an dem ich 1996 den ersten Kontakt zu den norddeutschen Dampfköpfen erhielt, schloss sich für mich ein bedeutender Kreis.
War es doch auch Peter gewesen, der mir meine Maschinengussteile aus Bronze und eine passend gegossene Kubelwelle beschafft und für alle meine Fragen immer eine freundliche, passende Antwort hatte - er war quasi mein Dampfboot-Vater und Idol! Leider verstarb er viel zu früh am 04.07.2013.